Mag. Dr. Hans-Jörg Hofer:
Psychiatrische Zwangsmaßnahmen im Widerspruch zu Menschenrechten
Die Artikel 14 bis 17 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit
Behinderungen (CRPD 2006) gewährleisten auch für Menschen mit psychosozialen Behinderungen alle erdenklichen Freiheiten und den Schutz der Menschenrechte, der Menschenwürde sowie nicht zuletzt auch die Freiheit von Zwang, Gewalt und allen möglichen persönlichen Eingriffen. Alleine vor diesem Hintergrund müssten alle möglichen Formen von Zwang und Zwangsmaßnahmen im Rahmen psychiatrischer Interventionen:
a) abgeschafft und wo immer dies möglich ist,
b) durch gelindere Maßnahmen und Interventionsformen bereits längst ersetzt sein. (social.desa.un.org)
Alle Formen der Zwangsbehandlungen, zu denen auch stundenlange Fixierungen gehören, sind vor diesem Hintergrund also eigentlich verboten und bedürfen von Fall zu Fall schon einer besonders guten und nachvollziehbaren Begründung, zu denen zum Beispiel ein Mangel an entsprechendem Personal sicherlich nicht zählt.
Das Gleiche gilt selbstverständlich für Menschen mit schweren akuten psychischen Erkrankungen, auch wenn sie noch nicht unter den Begriff der Behinderung fallen, da das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderu gen (CRPD 2006) nichts anderes als eine adäquate Darstellung und Interpretation der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ist:
Die Konvention schafft keine Sonderrechte für Menschen mit Behinderungen, sondern übernimmt die Grundrechte der verschiedenen Menschenrechtsinstrumente und überträgt sie auf die besondere Situation der behinderten Menschen, indem sie ihre Umsetzung spezifiziert und konkretisiert. Ziel war es, dass Menschen mit Behinderungen ihre Rechte in gleichem Masse ausüben können wie Menschen ohne Behinderungen. Die Konvention enthält daher Bürgerrechte, politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Rechte. (ebgb.admin.ch)
Trotzdem scheinen gerade Zwangsmaßnahmen, Zwangsbehandlungen und Fixierungen in manchen Teilen Österreichs noch immer zum state of the art zu zählen, worauf nunmehr unter anderem die Volksanwaltschaft in einer ihrer jüngeren Aussendungen klar und deutlich sowie äußerst unmissverständlich reagiert. Unter anderem stellt sie klar:
Freiheitsbeschränkende Maßnahmen sind ausschließlich dann zulässig, wenn sie der Abwehr einer gravierenden Gefahr, also der Abwehr einer ernstlichen und erheblichen Gefährdung des eigenen oder fremden Lebens oder der eigenen Gesundheit bzw. der ärztlichen Behandlung und Betreuung dienen. Achitz: „Auf keinen Fall dürfen sie wegen Personalmangels erfolgen. Im Gegenteil: Die Spitalsbetreiber müssen dafür sorgen, dass ausreichend Personal für die ständige Überwachung der fixierten Patient*innen vorhanden ist, und dass dieses dafür ausgebildet ist, etwa mit Deeskalationsschulungen.“ (ots.at)
Völlig richtig und konsequent argumentiert Achitz weiter, indem er an die Menschenrechte und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte anknüpft:
Aus menschenrechtlicher Sicht zählen Fixierungen zu den stärksten freiheitsbeschränkenden Maßnahmen. Sie fallen unter das Verbot der Folter oder der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung, wenn sie unrechtmäßig durchgeführt werden, oder wenn sie zu Schmerzen oder körperlichen Verletzungen führen. Die Dauer von Fixierungen ist auf das Notwendigste zu reduzieren. (ots.at)
Anzumerken in diesem Zusammenhang, wären noch folgende drei Tatsachen:
I. In Deutschland wurden Fixierungen grundsätzlich auf eine halbe Stunde begrenzt. Die entschied der Oberste Gerichtshof in Karlsruhe in einem wegweisenden Urteil.
II. In einigen Kantonen der Schweiz sind Fixierungen inzwischen überhaupt verboten und finden, wo sie noch erlaubt sind, unter ständiger Aufsicht einer Fachperson statt.
III. Vor dem Hintergrund der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (CRPD 2006) ist sogar fraglich und diskussionswürdig, ob und inwiefern nicht auch die angeführten Ausnahmefälle der ärztlichen Behandlung und Betreuung eigentlich nicht vorkommen dürften. Es dürfte unseres Erachtens nämlich eigentlich niemand zu einer bestimmten Behandlung gezwungen werden können. Jedenfalls dann nicht, wenn es dazu auch Alternativen gibt, und es sich dabei nicht um hochansteckende gefährliche Infektionen handelt.
Warum es in manchen Gegenden Österreichs nach wie vor gehäuft zu Fixierungen in der Psychiatrie kommt, ist auf jeden Fall ebenso aufklärungsbedürftig wie die daraus entstehenden Folgeerscheinungen bis hin zu einzelnen Todesfällen.
Quellenhinweise:
Presseaussendung Volksanwalt Bernhard Achitz, 25.8.2025, aufgerufen am 15.9.2025 unter:
https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20250825_OTS0059/volksanwalt-achitz-fixierungen-duerfen-nur-allerletztes-mittel-sein; Hervorhebungen im Text: Idee Austria
Eidgenössisches Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen EBGB, aufgerufen am 15.9.2025:
https://www.ebgb.admin.ch/de/uebereinkommen-der-uno-ueber-die-rechte-von-menschen-mit-behinderungen
United Nations: CRPD 2006, New York:
https://social.desa.un.org/issues/disability/crpd/convention-on-the-rights-of-persons-with-disabilities-crpd